DER FREIHEITSKAMPF
LNÉ 2007.10.29. 22:04
Das 19. Jahrhundert brachte wichtige Veränderungen im politischen Leben Ungarns mit sich.
Das 19. Jahrhundert brachte wichtige Veränderungen im politischen Leben Ungarns mit sich. Im Gegensatz zu den sich entfaltenden und immer stärker werdenden nationalen Bewegungen der anderen Nationalitäten kann man bezüglich des Deutschtums in Ungarn im Allgemeinen sagen, dass es in dieser Hinsicht fast im ganzen 19. Jahrhundert still war. Das hatte mehrere Gründe: das Deutschtum wohnte im Lande verstreut, seine Gruppen siedelten sich nicht zur gleichen Zeit an, und verfügten über unterschiedliche Rechtsstellung. Der entscheidende Anteil deren, die im Mittelalter ankamen, waren Städtebürger mit feudalen Privilegien, während im Laufe der neuzeitigen Ansiedlungen neben den wenigen Handwerkern in erster Linie Bauern kamen, die als Leibeigene arbeiteten. Die Diasporasituation und die unterschiedliche soziale Stellung machten einerseits einen gemeinsamen Auftritt nicht möglich, andererseits erlangten die im Laufe des 18. Jahrhunderts bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts kommenden "schwäbischen" Kolonisten den nötigen Grad des nationalen Bewusstseins noch nicht. Anfang des 19. Jahrhunderts betrug die Zahl der Deutschen im damaligen Vielvölkerstaat Ungarn bereits mehr als eine Million. In Ofen, Pesth, Ödenburg oder Fünfkirchen wurde eine blühende Kultur geschaffen, erschienen deutsche Zeitungen, Zeitschriften, Kalender, literarische Werke und wissenschaftliche Abhandlungen. Am 9. Feber 1812 wurde in Pest “das größte deutsche Theater der Welt” eröffnet. Aus diesem Anlass komponierte Beethoven Musik zu den Uraufführungen der Kotzebue-Stücke “Ungarns erster Wohltäter”, “Belas Flucht” und “Die Ruinen von Athen”.
Die Deutschen förderten als professionelle Landwirte die ungarnländische landwirtschaftliche Kultur. Im 19. Jahrhundert entstanden „deutsche Industriezweige” (Maurer, Steinmetze, Dachdecker, Glasbläser, Metallgießer, Erzgießer, Dreher und Klempner u. a.). Die ungarndeutschen Handwerkergesellen gingen in der Monarchie und in Deutschland auf die Walz. Durch die deutsche Sprache sahen und lernten sie dort eine andere, hohe technische Kultur kennen und wandten diese ebenso wie die handwerklichen Kenntnisse in Ungarn an. Das deutsche Bürgertum der Städte, das sich noch im Mittelalter angesiedelt hatte, war aber schon in der ersten Phase der Assimilation begriffen und indem es sich mit dem Adel und Komitat ungarischen Bewusstseins und Interesses zusammentat, fühlte sich schon als ungarischer Patriot. Es begann die gesellschaftliche, familiäre und persönliche Verflechtung zwischen dem deutschen Bürger und dem ungarischen Adeligen - hauptsächlich in Oberungarn und in Transdanubien -, das sich auch in der Madjarisierung der Namen zeigte. Der größte Teil des deutschen Bürgertums in Ungarn schloss sich der ungarischen nationalen Bewegung an, und im Gegenzug erhoffte es die Erkämpfung des selbstständigen ungarischen Marktes und sein eigenes wirtschaftliches Vorwärtskommen. Das ungarländische Deutschtum vertrat während der Revolution von 1848 keinen einheitlichen Standpunkt. Seine große Mehrheit begrüßte die Revolutionsereignisse im März. Das galt besonders für das liberale deutsche Bürgertum der Städte. Eine enthaltsamere Haltung nahm die Schicht des deutschen Bürgertums ein, das an die Traditionen stärker gebunden war. Die Treue zum Kaiser und die Begeisterung für die ungarische Revolution schlossen sich einander natürlich nicht aus. Die in schwäbischen Dörfern angeworbenen Nationalgardisten erzielten unter ungarischem Kommando mehrere beachtenswerte Erfolge. Auch in der militärischen Führung des Freiheitskampfes fanden sich in großer Zahl Deutsche. Georg (György) Klapka stammte aus einer Banater schwäbischen Familie. Anton (Antal) Vetter, Oberbefehlshaber der Honvéd war ebenfalls deutscher Abstammung, sowie General Maximilian Stein, Josef Bayer der Generalstabschef des wiederum Zipser Sachsen Artúr Görgey. Unter den 13 in Arad hingerichteten Generälen waren fünf Reichs- bzw. Ungarndeutsche: der Pressburger Ludwig Aulich, Georg Lahner aus dem Komitat Turóc, der Reichsdeutsche Karl Leiningen-Westerburg, der Wiener Ernst Pölt von Pöltenberg, Josef Schweidel aus Sombor. Im Laufe des Freiheitskampfes bzw. danach trat das Deutschtum in Ungarn das erste Mal mit nationalen Forderungen auf.
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